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Markus Wimmer

zur Ausstellung: Stephan Reusse, Kunstverein DG, München

Komplementäre Raumvisionen/ Sequenz 11

 

In den „Thermovisionen“ von Stephan Reusse verbindet sich die Fotografie auf kongeniale Weise mit der Thermografie. Nicht die Lichtwellen werden hier von der Kamera aufgezeichnet, sondern Wärmedifferenzen, die von Sensoren aufgefangen und digital übertragen und auf Cibachrome-Prints abgezogen werden. Auf dem Negativ erscheinen niedrige Temperaturen blau, hohe von orange bis weiss. Seine Serie der „Boxes“ lässt unscharf und verschwommen die Wärmequelle im Unklaren, raumirritierend nähern sie sich einer verwirrenden Oberflächenpräsenz an, die sie mit den Bildern Mark Rothkos assoziieren lässt. Die statische Qualität der Objekte wird aufrecht erhalten, ihre Präsenz im Bild bestätigt und auf beunruhigende Weise mit einer nur schwer zu definierenden „Aura“ einer dinglichen Unmittelbarkeit entzogen.

In seinen Arbeiten mit Wölfen kommt die volle Brisanz seiner Arbeiten zum Tragen, braucht doch das Verfahren nicht mehr das Objekt im Visier der Kamera, sondern nur mehr seine thermografische Spur. Die Arbeiten suchen nach ihrem Objekt aus dem Blickwinkel der Vergangenheit, sind Metaphern des Flüchtigen, in ihrer nicht-physischen Präsenz nurmehr durch die Maschine, nicht mehr mit menschlichem Sinn erfassbar. Sie stellen eine Präsenz des Objektes im hier und jetzt des Bildes in Frage, einer realen Präsenz im Bild, wie sie die traditionelle Fotografie so geschickt anbieten konnte.

Die „Thermovisionen“ führen ein transzendentes Moment in die Fotografie ein, machen Abwesendes scheinbar anwesend, die Arbeiten von Stephan Reusse thematisieren gerade die Fragwürdigkeit dieser Vergegenwärtigung, indem sie nicht ein Objekt, sondern seine nicht-physischen Spuren wiedereinzufangen versuchen. Gerade so halten sie nicht das vordergründig Sichtbare fest, sondern lassen sich ein auf ein Spiel auratischer, phantomartiger Erscheinung.

Mag. Jörg Wolfert

München, Mai 2000

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